In
meinem früheren Leben, in einer Zeit lange vor dem Zwerg, war ich mal
Schauspielerin. Ich spielte am Theater hier und am Theater dort und hing
grundsätzlich mit vielen Schauspielerinnen und Schauspielern rum. In
diesen Kreisen ist Scheitern eine sehr beliebt Sache.
Aus zwei Gründen. Grund
Nummer 1 ist: Etwas zu riskieren ist gut. Wer es riskiert zu Scheitern,
hat was riskiert. Noch viel beliebter war es natürlich, was zu
riskieren und dann nicht zu scheitern. Logisch. Da das naturgemäß nicht
immer klappen kann, muss das Scheitern als Schauspieler dein Freund sein
oder werden. Denn ohne diese Freundschaft ist es irre schwer bis
unmöglich auf einer Probe ein mutiges Angebot zu machen. Und zaghafte
Angebote auf Proben sind öde und Lebenszeitvergeudung.
Ich
bin Perfektionist. Und als solcher lehnte ich das Konzept des
Scheiterns generell ab. Entsprechend schwer fiel es mir, das Scheitern
mögen zu lernen. Doch nach langem Ringen kam dann der Tag, an dem ich
den perfektionistischen Teil von mir abspalten und stundenweise
deaktivieren konnte. Und plötzlich fand ich es völlig ok, mich zum
Vollhorst zu machen. Es machte mir sogar Spaß! Ich wurde mutig. Ich
wurde eine viel bessere Schauspielerin.
Dann zog ich nach Berlin.
Seitdem bin ich vieles - Schauspielerin bin ich so gut wie nie.
Schauspiel-Karriere gescheitert!
Und da hätten wir dann auch Grund Nummer 2!
Seit 3 1/2 Jahren bin ich, neben vielen anderen Betätigungsfeldern jetzt auch Mutter.
Vieles
aus meinem früheren Leben kommt mir da sehr zugute. Zum Beispiel ist es
hilfreich in jeglicher Wartesituation zum Amüsement des Nachwuchses
irre Grimassen schneiden zu können, ohne dass es einem zu peinlich ist,
von fremden Leuten angestarrt zu werden. Und ja, dass passiert mir
häufiger. Das mit den Grimassen und das mit dem Angestarrt werden.
Nach
ein paar Jahren auf der Bühne stumpft man ab, was das Angestarrt werden
betrifft. Und das ist wirklich `ne super Sache in Momenten, in denen man
gerade neben der Supermarktkasse mit Engelszungen auf seinen am Boden
liegenden, brüllenden Dreijährigen einredet oder quer über den Gehweg
brüllt, weil das viel geliebte Kind samt Laufrad auf eine stark
befahrene Straße zu saust und dabei den Weg eines Pitbulls ohne Maulkorb kreuzt.
Und da man als
Schauspieler fast zwangsläufig eine Rampensau ist, kostet es auch
keinerlei Überwindung sich am Höhepunkt einer kindlichen
Motz-Heul-Jammer-Attacke neben das Kind auf den Boden zu werfen, um laut
brüllend auf selbigen einzutrommeln. Jeder, der es wagt, wird merken:
das bringt das Trotzkind komplett aus der Fassung - zumindest die
ersten beiden Male.
Ein
klein wenig schade ist es allerdings, dass ich schon wieder auf dem
besten Weg bin, komplett zu Scheitern - diesmal als Mutter - denn, dass
ein Kind zu einem vollkommen normalen jungen Mann heranwächst, das eine
dermaßen peinlichkeits-resistente Mutter hat, kann man getrost
ausschließen. Da mein Verhalten seines maßgeblich prägt, wird jedweder
Versuch seinerseits, angepasst und unauffällig durchs Leben zu gehen,
zum Scheitern verurteilt sein! Ein keiner Trost bleibt mir: das Ganze
hat auch seine praktische Seite - es birgt immerhin die Möglichkeit, dass er
sich frühzeitig ans Scheitern gewöhnt. Das wirkt sich dann zumindest
positiv auf seine beruflichen Chancen aus - denn ganz klar - egal wie
sehr ich mir für ihn etwas anderes wünsche - wenn ich so weiter mache
wie bisher, dann wird der Junge mit hoher Wahrscheinlichkeit
Schauspieler.
Und der ewige Kreislauf des Scheiterns beginnt von vorn.
Danke
liebe Anne-Lu, dass Du mich mit Deiner Blogparade
#geschichtenvomscheitern dazu gebracht hast, mich mit dem Thema
auseinander zu setzen - so laufe ich jetzt zumindest sehenden Auges ins
Verderben.
Euch alles Liebe
Eure Anna
Herrlich! Vielen Dank für diesen Einblick ins Scheitern! Und was solls... das Leben ist schön, ob nun gescheitert oder nicht. Und die die sagen, sie scheitern nie; sind die Schlimmsten, denn sie scheitern vor sich selbst... Und man kann auch glücklich sein, wenn man scheitert, nicht im Ganzen, aber hier und da... das ist so und gehört dazu!
AntwortenLöschenVLG Julia
:-)
AntwortenLöschenAlso, wenn Dein Scheitern lediglich bedeutet, dass Dein Sohn seinen eigenen Weg gehen wird, dann mach ich mit keine Sorgen. Wer mit der Herde läuft, kann nur den Ärschen folgen oder so ähnlich der Spruch, der mir dazu einfällt...
liebe Grüße und viel Komik und Humor in der Erziehung wünsch ich weiterhin, kann nicht schaden!
Petra
Das ist ein wunderbarer Text mit viel Humor und hier ähhhhh ähnlich erlebten situationen (auch rampensau obwohl nicht ausgebildet :) ) Danke für den schönen Text.
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